Der erste Gedanke Vieler wenn sie das Wort »Fraktur« zu hören oder zu lesen bekommen ist negativ. Vermutlich denkt der Großteil der Allgemeinheit an das dritte Reich, Hitler und die Nazis, schmücken sich doch diese heutzutage mit markanten gebrochenen Schriftzeichen für verschiedenste Zwecke. Sei es auf Aufnähern, Fahnen, Bannern oder CD-Covern.
Natürlich weiß der gebildete oder zumindest schrift-affine Mensch dass sich die Leute, die die gebrochenen Schriften für nazi’esque halten, gewaltig irren und selbst durch den »Kakao« ziehen. Wie so oft kann die Wikipedia für Aufklärung sorgen und bietet wirklich sehr schöne Ausführungen zum Thema an. Natürlich ist es richtig das die gebrochenen Schriften mit Deutschland an sich verknüpft werden, haben sie doch eine lange Zeit als »Haus- und Hofschrift« der preußischen Herrschaft gedient. Für die Preußen galt die altdeutsche Schrift als Identifikationsmerkmal.
Die gebrochenen Schriften gibt es schon seit dem 12. Jahrhundert und entstanden beim Übergang von der Romanik zur Gotik. Statt runden romanischen Bögen kamen nun spitz zulaufende, gebrochene Bögen in »Mode« was sich auch in der Schriftentwicklung niederschlug. In Deutschland spielten diese Schriften vor allem zwischen dem 16. und 20. Jahrhundert eine besondere Rolle, war Deutschland doch das einzige Land das noch im 20. Jh gebrochene Schriften bevorzugte. Allerdings waren auch die Antiquaschriften gebräuchlich, jedoch wie beschrieben, weit weniger populär. Schon 1906 gab es erste Debatten im Reichstag in denen erörtert wurde ob man nicht die gebrochenen Schriften durch Antiquaschriften im offiziellen Schriftverkehr ablösen sollte. Die Debatten blieben aber, wie wir wissen, ohne Ergebnis. 1911 wurde noch einmal versucht durch den Reichstag die Ablösung der bisherigen Amtsschrift durch Antiquaschriften zu beschließen. Der Antrag wurde mit 85 zu 82 Stimmen abgelehnt.
Dann im dritten Reich gab es den vorerst letzten Höhepunkt für die gebrochenen Schriften als sie von den Nazis als »die einzig wahre deutsche Schrift« propagiert wurde. Doch das Ende der Fraktur rückte unaufhaltsam näher, als nämlich Martin Bormann und Konsorten folgendes feststellten:
»Die sogenannte gotische Schrift als eine deutsche Schrift anzusehen oder zu bezeichnen ist falsch. In Wirklichkeit besteht die sogenannte gotische Schrift aus Schwabacher Judenlettern. Genau wie sie sich später in den Besitz der Zeitungen setzten, setzten sich die in Deutschland ansässigen Juden bei Einführung des Buchdrucks in den Besitz der Buchdruckereien und dadurch kam es in Deutschland zu der starken Einführung der Schwabacher Judenlettern.«
Diese Passage ist ein Zitat aus dem am 3. Januar 1941 veröffentlichten »Normalschrifterlass«. Fortan galten also gebrochenen Schriften als UNDEUTSCH! Hier ist also die magische Stelle für all die Trottel die sich wahnsinnig deutsch und fascho’tisch damit vorkommen aber auch für diejenigen die sofort die Nase rümpfen sobald sie eine Fraktur sehen. Alles totaler Mumpitz. Sicher kann man sagen das eine Identifikation mit den Schriften schwerfällt sollte man sich auch ansonsten mit allem deutschen nicht all zu verbunden fühlen. Jedoch, so finde ich zumindest, ist es keinesfalls die Schuld der Schrift, noch ist deren Entstehungsgeschichte irgendwie anrüchig. Sie ist in erster Linie alt und wenn man sich erst einmal mit der Formensprache dieser Schriftgattung auseinandersetzt kann man sogar ins leichte schwärmen verfallen. In der Wikipedia gibt es auch eine nette Übersicht verschiedener gebrochener Schriften (Textur, Rotunda, Schwabacher, Fraktur).
Auf diesen Post kam ich übrigens durch Gerrit der ebenfalls einen kleinen Artikel zum Thema postete. Darin wähnt er die Renaissance der gebrochenen Schriften, werden diese doch heutzutage wieder verstärkt verwendet. Wenn man mit offnen Augen durchs leben geht wird man sich diesem Eindruck tatsächlich nicht verwehren können. Ich habe im Prinzip auch nichts dagegen, nur diese möchtegern Zeitgeist-Frakturen mit viel zu geringer Strichstärke und den lieblosen Formen stoßen mir übel auf. Ich hätte lieber leicht modernisierte oder angepasste fette Frakturen. Bold eben.
Zum eigenen Studium hier noch weitere Links. Das ist wirklich interessant zum Abbau von Vorurteilen die sich über Jahre ins Hirn gebrannt haben.
Das nächste mal wenn ihr also Rechte/Nazis/Nationalisten mit gebrochenen Schriften seht, wünsche ich angenehm darüber gelacht zu haben wie sie sich mit »undeutschen Judenlettern« schmücken.
- http://de.wikipedia.org/wiki/Gebrochene_Schriften
- http://de.wikipedia.org/wiki/Normalschrifterlass
- http://typolexikon.de/g/gebrochene-schriften.html
- http://typolexikon.de/f/fraktur.html
- http://de.wikipedia.org/wiki/Rotunda
- http://de.wikipedia.org/wiki/Schwabacher
- http://de.wikipedia.org/wiki/Fraktur_%28Schrift%29
Abschließend würde ich ja gerne noch wissen was es für Rotunda Schriften da draußen gibt. Bisher habe ich nur die Frakturen und Schwabacher Schriftschnitte entdeckt. Falls ihr mehr wisst, meldet euch!
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